Digital Art Galerie (d)

In dem Buch Codierte Kunst habe ich mehr als 100 Werke der frühen Computerkunst und anderer Kunstrichtungen als Hommagen an die jeweiligen Vertreter der Kunstrichtungen vorgestellt und gezeigt, wie sie (mit Snap!) nachprogrammiert werden können (siehe Bilder und Programmcode). Es gibt natürlich noch wesentlich mehr Bilder und Ideen, die eine Umsetzung lohnen. In der Digital Art Galerie möchte ich deshalb weitere Ergebnisse meines Recoding & Remixing dokumentieren (jeweils mit Link zu den Programmen). Die Sammlung soll fortlaufend ergänzt werden. Es lohnt sich also, wieder zu kommen …

Hommage à Bartnig: Fadenbild
Horst Bartnig
ist ein Vertreter der Konkreten Kunst, der früh den Computer dazu nutzte, Serien und Variationen zu erstellen. Ein typisches Beispiel ist das Fadenbild. Von jedem Punkt auf den vier Kanten werden Linien zu jedem xten der anderen Punkten gezogen.
Die Berechnung der Punkte und das Zeichnen der Linien ist relativ simpel mit geschachtelten Wiederholungsschleifen möglich.

Hommage à Coqart: Structured Squares
Roger Kockaerts (aka Roger Coqart) ist ein belgischer Fotograf und Computerkünstler. Er untersuchte u.a. systematische Gitterstrukturen aus Quadraten, denen er weitere Strukturen überlagerte. In Structured Squares fügte er Quadrate ihrerseits zu einer quadratischen Matrix zusammen.
Für das Recoding  werden die Prozeduren zum Zeichnen der verschiedenen Linien in einer Liste („Prozeduren als Daten“) gesammelt, wodurch ihre einfache Verwendung in verschiedenen Strukturen ermöglicht wird.

Hommage à Csuri: Feeding Time
Auch gegenständliche Grafiken haben in die Computerkunst Eingang gefunden. Die Ursprungsbilder sind manuell zu erstellen. Bei Charles Csuri und James Shaffer im Bild Feeding Time ist das Ursprungsbild die Zeichnung einer Fliege. Diese wird dann in konzentrischen Ringen um den Bildmittelpunkt mit zufälligen Abweichungen verteilt. Diese Anordnung ruft geradezu danach, zu einer Animation ausgebaut zu werden, bei der sich der Fliegenschwarm fortlaufend über die Bühne bewegt.

Hommage à CTG: Zugvogel
Hinter der Computer Technique Group (CTG) stand eine japanische Gruppe von Kunst- und Technikstudenten, deren theoretische Arbeiten in Zeitschriften erschienen und deren Werke in Galerien und Ausstellungen weltweit gezeigt wurden. In mehreren Bildern – die zu den Kassikern der frühen Computerkunst gehören – haben sie Möglichkeiten aufgezeigt, wie Bilder durch Transformationen ineinander überführt werden können. Berühmt ist zum einen Return to the Square, bei dem ein größeres Quadrat zunächst durch Verkleinerung und Verzerrung in ein menschliches Profil verwandelt wird und dieses anschließend wieder in ein kleineres Quadrat. Nach dem gleichen Prinzip wird bei Running Cola is Africa, bei dem der Umriß eines Läufers in eine Cola-Flasche und diese dann in eine Kontur von Afrika überführt wird. Dargestellt weden die Umwandlungsprozesse in der statischen Überlagerung zahlreicher Zwischenstadien.

Daran angelehnt ist mein Recoding, das ich Zugvogel Deutschland Afrika nenne, weil es die drei Zielgrafiken Zugvogel, Deutschland- und Afrika-Umriss enthält. Naheliegenderweise habe ich zusätzlich daraus eine echte Animation (Morphing) gemacht.

Hommage à Delaunay: Formes Circulaire
Der Franzose Robert Delaunay gilt als Hauptvertreter des orphischen Kubismus. Zu seinen Hauptwerken gehörte die Serie Formes Circulaire (1912, sowie 1931) mit dem Thema Kreisformen. Diese Bilder sind für mich Anregung zum Recoding gewesen.
Für das gezeigte Beispiel werden konzentrische Kreise um zufällig gesetzte Mittelpunkte gezeichnet und um Liinienbüschel ergänzt. Delaunays Bilder wirken durch ihre Farbintensität; ihre einfarbigen Varianten zeigen aber noch klarer die geometrisch-flächige Struktur.

Hommage à Kallhardt: Permutation
Einige frühe Computerkünstler beschränkten sich nicht auf die Erstellung von Grafiken, sondern bewegten sich auch in den Kunstgattungen Film, Musik, Bildhauerei oder auch Lyrik. So hat Reiner Kallhardt das Arbeiten mit computergenerierten Texten mit deren grafischer Umsetztung verbunden. Ein Ausgangspunkt war z.B. das Wort Permutation. Dieses Wort wird bei ihm in elf Reihen mit zufällig unterschiedlich großen Buchstaben und jeweils unterschiedlich gewähltem Ausgangsbuchstaben dargestellt (vgl. auch unten Hommage à Nash: Triangle 9).
Die programmtechnisch sehr einfache Umsetzung kann leicht interaktiv gestaltet werden, d.h. Betrachter können ihren eigenen Ausgangstext eingeben, der dann permutiert wird.

Hommage à Nake: Geradenscharen
Die Bildserie Geradenscharen von Frieder Nake gehört für mich zu den eindruckvollsten Beipielen der frühen Computerkunst. Auch wenn wir die Entstehung der Bilder algorithmisch nachvollziehen und Recoden können, so zeichnen sie sich doch durch immer wieder überraschende Konstellationen aus, die von einer eigenen Dynamik geprägt sind.
Die Bilderzeugung ist programmtechnisch interessant, da von einer (unsichtbaren) Leitgeraden ausgehend weitere Geraden an zufälligem Ort mit zufälliger Steigung gezeichnet werden, wobei Ort, Steigung und deren Länge jeweils von der vorhergehenden Geraden abhängig gemacht werden.

Hommage à Nash: Triangle 9
triangle-9Bei der ASCII-Art werden Bilder mit dem Zeichensatz von Schreibmaschinen bzw. Druckern erzeugt. Der dafür verwendete ASCII-Zeichensatz ist weltweit genormt. Besonders geeignet dafür sind nichtproportionale Schriften, d.h. solche, bei denen alle Buchstaben gleich breit sind (etwa Courier, die ursprünglich für elektrische Schreibmaschinen entwickelt wurde). Auch in der Computerkunst wurden Drucker verwendet. Als Beispiel dient das Bild Triangle 9 (in Franke, 1971, S. 25) von Katherine Nash (1910 – 1982).
Dieses und vergleichbare Werke könnten natürlich „stilecht“ mit elektrischen Schreibmaschinen oder Zeilendruckern nachvollzogen werden. Da es hier aber vor allem um die grafischen Strukturen geht, habe ich Dreiecke mit einem externen Texteditor erstellt und dann als Kostüme in Snap! importiert und diese wie notwendig positioniert und ausgerichtet.

Hommage à Nees: Schotter
Die Sammlung wurde eröffnet mit dem Bild Schotter. Zum einen ist es eines der bekanntesten Bilder der Computerkunst überhaupt, das in sehr vielen Publikationen wiedergegeben ist. Es stammt von einem der Pioniere der Computerkunst, Georg Nees, der dazu (übrigens als einer der ganz Wenigen) den Algorithmus dazu dokumentiert hat. Zum anderen war es das erste Werk der Computerkunst, mit dem ich mich überhaupt näher befasst habe – anfangs ohne zu wissen, dass es ein Werk von Nees war.
Für mich war es das Ergebnis einer ersten unabhängigen Implementierung 1989 mit der Schildkröten-Grafik in Logo, basierend auf einem Bild ohne Titel in einem Programmierbuch. Erst jetzt – 25 Jahre später – stieß ich auf seine Dissertation als ich über die frühe Computerkunst arbeitete. Dabei war ich dann überrascht, dass das Bild Schotter ganz unterschiedlich realisiert wurde. Ich habe das Bild rekursiv erstellt, während Nees einfache Wiederholungsschleifen verwendet hat. So haben unterschiedliche Wege zum gleichen Ergebnis geführt.

ExplSchwQuadratHommage à Nees: Explosion des schwarzen Quadrats
Anfang des 20. Jahrhunderts hat Kasimir Malewitsch mit seinem Bild Schwarzes Quadrat auf weißem Grund eine Ikone der abstrakten Moderne geschaffen. In seiner Schrift Suprematismus – die gegenstandslose Welt formuliert er den Übergang zu einer freien „gesetzlosen“ Kunst. Manche sprechen auch von einem Nullpunkt der Kunst.
Georg Nees greift dieses Bild auf und führt es fort in einer Bildserie vom einzelnen Quadrat zu vielen Quadraten. Die Serie passt zum Titel eines Symposiums der Gesellschaft für Kunst und Gestaltung (Bonn, 1989): Die Explosion des Schwarzen Quadrats. Auch die Erzeugung dieser Bildserie ist einfach mit geschachtelten Wiederholungsschleifen möglich.

Hommage à Riley: Movement in Squares
Bridget Riley ist eine der führenden Vertreterinnen der Op Art. Ihre frühen Arbeiten befassen sich mit geometrischen Objekten (Punkte, Linien, Quadrate) und Mustern, mit denen sie gerne optische Illusionen und Wahrnehmungstäuschungen erzeugt. Das Bild Movement in Squares (entstanden 1961) steht am Beginn ihrer Hinwendung zur Abstraktion.
Gerade dieses Bild bietet sich für eine animierte Version an, bei der von links nach rechts die Breite vermindert wird und kurz vor dem Verschwinden wieder zunimmt.

schmetterlingHommage à Sonderegger: Schmetterling
Diese Grafik ist ein Recoding des Bilds Schmetterling (nach Bruno Sonderegger, zu finden in Franke, H.W., 1971: Computergraphik – Computerkunst, S. 16. ). Entstanden ist es ursprünglich als Testbild für eine Zeichenanlage CORAGRAPH. Solche Entwicklungen sind nicht untypisch für die ersten Bilder der frühen Computerkunst .
Das Bild besteht aus vier gleichartigen Linienmuster (von rechts nach links bzw. umgekehrt und nach oben bzw. unten). Durch die Überlagerung der Strahlenbündel ergeben sich Moiré-Effekte.

wird fortgesetzt …